Bei der Meisterfeier von Super-Bowl-Sieger Kansas City Chiefs fallen Schüsse. Eine Person stirbt, mindestens 29 werden teils lebensgefährlich verletzt – darunter elf Kinder. Über ein Land, in dem man nicht einmal bei einer Parade sicher ist.
Die treffendsten Worte zu dem, was am Mittwoch um 14 Uhr in Kansas City passiert ist, stammen vom ehemaligen Footballprofi Robert Griffin III. «Kinder können nicht in die Schule gehen; Gläubige nicht in die Kirche; Familien nicht in den Supermarkt; Freunde nicht auf ein Konzert», schreibt Griffin auf der Plattform X: «Und jetzt können Fans in Amerika nicht mal mehr zu einer Super-Bowl-Parade gehen, ohne begründet Angst haben zu müssen, in einen Amoklauf zu geraten.»
Die Kansas City Chiefs hatten am Mittwoch ihren Triumph beim Super Bowl am Sonntag in Las Vegas gegen die San Francisco 49ers mit einer Parade zum Bahnhof Union Station gefeiert; ungefähr eine Million Menschen waren gekommen. Das Finale der US-Footballliga NFL ist nicht nur sportliches Grossereignis, sondern wegen der Reklamefilme mit zahlreichen Promis, der Halbzeitshow von Rapper Usher und nicht zuletzt der Beziehung von Entertainerin Taylor Swift zum nun dreimaligen Super-Bowl-Gewinner Travis Kelce ein popkulturelles, gesellschaftliches und bisweilen auch politisches Spektakel – in diesem Jahr sahen 123,7 Millionen Amerikaner live zu, so viele wie noch nie. «Mein Herz ist gebrochen ob der Tragödie heute; ich fühle mit allen, die gekommen sind, um mit uns zu feiern», schrieb Kelce in einem Statement, das der Redaktion vorliegt.
«Gerade, als die Feier beendet gewesen war, gab es Schüsse auf der Westseite des Bahnhofs», sagt Stacey Grave, Polizeichefin von Kansas City. Eine Person sei dabei getötet worden, die DJane Lisa Lopez-Galvan; die Mutter von zwei Kindern wurde von Schüssen getroffen und erlag im Krankenhaus ihren Verletzungen. Mindestens 29 Menschen seien mit teils lebensgefährlichen Verletzungen ins Krankenhaus gebracht worden, darunter elf Kinder im Alter zwischen sechs und 15 Jahren. Graves sagte auf einer Pressekonferenz, dass drei Personen festgenommen worden seien; ein Motiv sei noch nicht bekannt: «Zwei der Festgenommenen waren bewaffnet. Die dritte Person hatte keine Waffe bei sich, es wurde aber eine in der Nähe gefunden.» 21 der 29 Verletzten seien mit Schusswunden in die Krankenhäuser gekommen.
Hintergründe noch unklar
Über den Tathergang ist bislang nicht viel bekannt; die Polizei hat Teilnehmer gebeten, ihre Video-Aufnahmen bereitzustellen – einige davon kursieren bereits auf sozialen Medien wie jenes, auf dem zu sehen ist, wie ein Teilnehmer jemanden zu Boden reisst, der offensichtlich fliehen wollte. «Das ist alles so schnell passiert; ich habe überhaupt nicht nachgedacht», sagte Paul Contreras später zu CNN; der TV-Sender hatte ihn als die Person identifiziert, die den Fliehenden umgerissen hatte.
In anderen Videos sind Schüsse zu hören; daraufhin fliehen Leute vom Bahnhof, kurz darauf sind weitere Schüsse zu hören. «Bei den ersten lauten Geräuschen dachten wir, dass es sich um Knallfrösche oder ein Feuerwerk handelt», sagt Madison Anderes, die mit ihrer Mutter und ihrem Bruder auf der Parade gewesen ist: «Dann rief jemand: ‚Er hat eine Pistole!‘ Daraufhin ist Chaos ausgebrochen.» Sie sei versteinert gewesen, weil sie dachte, dass sie sterben würde.
«Was mich wütend macht. Die Leute sind zu einer Feier gekommen», sagt Polizeichefin Graves: «Sie sollten sich dort sicher fühlen dürfen.» Genau darüber debattieren die Amerikaner nun, und genau deshalb ist die Aussage von Griffin so treffend, denn: Wohin kann man noch gehen in diesem Land, ohne befürchten zu müssen, dass Schüsse fallen werden?
49. Vorfall in diesem jungen Jahr
Laut Gun Violence Archive ist dies der 49. Vorfall in diesem Jahr, bei dem durch Waffengewalt mindestens eine Person getötet oder mindestens vier Personen verletzt worden sind. Der 14. Februar ist der 45. Tag des Jahres 2024. Kansas City befind et sich im US-Bundesstaat Missouri, laut Non-Profit Everytown for Gun Safety auf Platz 38 der Liste mit den strengsten Gesetzen zum Waffenbesitz; laut Waffenlobby NRA braucht man dort keine Genehmigung, um sich eine Waffe zu kaufen; man mus seine Waffe nicht registrieren lassen und braucht auch keine Genehmigung, die mit sich zu führen. Ex-Profi Griffin schreibt: «Was machen wir nur?» Bereits bei den Paraden der jeweiligen Meister in den Sportarten Basketball (Denver Nuggets) und Baseball (Texas Rangers) waren Schüsse gefallen.
Kinder können nicht mehr in die Schule gehen, Gläubige nicht in die Kirche, Familien nicht in den Supermarkt, Freunde nicht auf ein Konzert und Fans nicht auf eine Parade, ohne fürchten zu müssen, in einen Amoklauf zu geraten. Bleibt die Frage, wo man sich noch sicher fühlen kann in Amerika 2024. Die Antwort, und es kann keine traurigere geben: nirgends.
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